Urteile zum Thema Teilzeitbeschäftigung07.12.2011
Urteile:5 AZR 414/95 - BAGE 84, 335,Bundesverwaltungsgericht (AZ 2 C 72.08),LAG 11Sa 1852/10,BverWG 2 C 15.07,2 C 20.07

Klassenfahrt keine Privatsache

Landesarbeitsgericht Hamm: Klassenfahrt keine Privatangelegenheit - Angestellter Lehrer hat Anspruch auf Reisekostenerstattung

Die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm hat am 03.02.2011 das Berufungsverfahren 11 Sa 1852/10 entschieden, in dem es um die Erstattung von Reisekosten für eine angestellte Lehrkraft im nordrhein-westfälischen Schuldienst geht.

Die Klägerin unterrichtet an einer Gesamtschule im Kreis Warendorf und war im Schuljahr 2008/2009 Klassenlehrerin einer 10. Klasse. Im August 2007 beantragte sie für ihre Klasse die Genehmigung einer Studienfahrt nach Berlin im September 2008. In dem von ihr unterschriebenen Antragsformular für eine Dienstreisegenehmigung erklärte sie formularmäßig den Verzicht auf die Zahlung von Reisekostenvergütung, da diese durch die für die Schule vorgesehenen Haushaltsmittel nicht mehr gedeckt waren.

Insgesamt zahlte die Klägerin für die Fahrt, die Übernachtung und Verpflegung sowie den Besuch eines Musicals insgesamt 234,50 €, von denen sie von der Schule 28,45 € erstattet bekam. Der Differenzbetrag ist Gegenstand der Klage. Das beklagte Land hat im Wesentlichen eingewandt, die Klägerin habe keinen Anspruch, da sie in dem Formularantrag ausdrücklich auf Reisekostenerstattung verzichtet habe.

Das Arbeitsgericht Münster ist der Argumentation des Landes in dem Verfahren 1 Ca 334/10 gefolgt und hat die Klage abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Diese hatte bei der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Erfolg. Sie hat das Land zur Zahlung der Reisekosten verurteilt und die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Grundsätzlich hat die angestellte Lehrkraft im nordrhein-westfälischen Schuldienst bei Durchführung einer genehmigten Klassenfahrt Anspruch auf Erstattung ihrer Reisekosten nach dem Landesreisekostengesetz. Dieses sieht zwar die Möglichkeit vor, auf die Reisekosten schriftlich zu verzichten. Hierauf kann sich das beklagte Land aber dann nicht berufen, wenn die Verzichtserklärung unter Verletzung der dem Bediensteten geschuldeten Fürsorgepflicht erwirkt worden ist und damit treuwidrig ist Dieser Fall liegt nach der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hamm hier vor, weil die Genehmigung der Klassenfahrt nach der sogenannten Wanderrichtlinie des nordrhein-westfälischen Schulministeriums davon abhängig gemacht worden ist, dass die Lehrkraft zuvor schriftlich auf die Zahlung der Reisekosten verzichtet. Da Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer nach der allgemeinen Dienstordnung für Lehrerinnen und Lehrer in besonderer Weise zur Teilnahme an den Fahrten ihrer Klasse angehalten sind, widerspricht es der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht in besonderem Maße ,wenn die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer vor die Alternative gestellt werden, entweder auf die Reisekostenansprüche zu verzichten oder ihre Klasse im Stich zu lassen.

 

 

Angestellte Lehrerinnen und Lehrer sollten daran denken, dass sie bei der Teilnahme an Klassenfahrten als Teilzeitkräfte wie vollbeschäftigte Lehrkräfte vergütet werden. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 22.8.2001 (Az. 5AZR 108/00) festgelegt.  

 

Leitsatz

Teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte sind für die Dauer der Teilnahme an ganztägigen Klassenfahrten wie vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte zu vergüten (teilweise Aufgabe von Senat 20. November 1996 - 5 AZR 414/95 - BAGE 84, 335).

Entscheidungsgründe:

Für die Prüfung, ob die Grenzen billigen Ermessens eingehalten sind und damit keine unterschiedliche Behandlung iSv. § 2 Abs. 1 BeschFG vorliegt, ist der Umfang der vom Lehrer außerhalb der Unterrichtserteilung zu leistenden Tätigkeiten von entscheidender Bedeutung. Im Urteil vom 20. November 1996 (BAGE aaO) hat der Senat angenommen, bei der Teilnahme an einer einwöchigen Klassenreise sei die relative Mehrbelastung einer Lehrerin mit 20/26 Unterrichtsstunden je Woche nicht so schwerwiegend, daß darin eine Ungleichbehandlung iSd. § 2 Abs. 1 BeschFG zu sehen sei. Die Mehrbelastung halte sich für die Dauer einer Woche im Bereich von 25 % und sei auf das gesamte Jahr bezogen kaum meßbar.

Hiermit wird dem Verbot einer unterschiedlichen Behandlung wegen der Teilzeitarbeit nach § 2 Abs. 1 BeschFG nicht hinreichend Rechnung getragen. Es wird nicht genügend berücksichtigt, daß Lehrkräfte während der Teilnahme an einer Klassenfahrt mit Schülern zu arbeiten und diese zu betreuen haben. Lehrkräfte erfüllen hier im Zusammensein mit den Schülern ihren pädagogischen Auftrag unmittelbar. In zeitlicher Hinsicht sind die Lehrkräfte praktisch während der gesamten Dauer der Klassenfahrt mit Betreuungs- und Aufsichtsarbeiten beschäftigt. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu den sonstigen Verpflichtungen außerhalb der Unterrichtserteilung. Die Belastung und Verantwortung der Lehrkräfte während einer Klassenfahrt gebietet es, teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte für die Dauer der Teilnahme an der Klassenfahrt wie Vollzeitbeschäftigte zu vergüten. Ordnet der Arbeitgeber die Teilnahme einer teilzeitbeschäftigten Lehrkraft an einer Klassenfahrt an, so entspricht diese Anordnung bei einer mindestens ganztägigen Klassenfahrt nur dann billigem Ermessen iSv. § 315 Abs. 1 BGB, wenn die teilzeitbeschäftigte Lehrkraft an diesem Tag wie eine vollzeitbeschäftigte Lehrkraft vergütet wird. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anordnung auf Wunsch oder gegen den Willen des Lehrers erfolgt. Mit dieser Regelung wird das Verbot der unterschiedlichen Behandlung wegen Teilzeitarbeit wirksam zur Geltung gebracht. Zugleich wird hiermit für jeglichen Umfang von Teilzeitarbeit eine klare handhabbare Vergütungsregelung gewährleistet. An der teilweise abweichenden Auffassung im Urteil vom 20. November 1996 (BAGE aaO) hält der Senat nicht fest.

4. Der Kläger ist daher für die Dauer der Teilnahme an der Klassenfahrt vom 1. bis zum 6. Mai 1995 wie eine Vollzeitkraft zu vergüten. Die Vergütungshöhe, die dem Kläger für diese Zeit zuzusprechen ist, kann jedoch auf Grund der getroffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht genau berechnet werden. Die vom Kläger angegebenen Berechnungen sind in Ermangelung ausreichender tatsächlicher Grundlagen nicht nachvollziehbar. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war daher insoweit aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Urteil vom 25.03.2010 (AZ 2 C 72.08) entschieden, dass die ruhegehaltsfähigen Ausbildungsund Zurechnungszeiten nicht mehr gekürzt werden dürfen, falls der Beamte längere Teilzeit- oder Beurlaubungszeiten hat. Hintergrund der Entscheidung ist, dass alle tatsächlich geleisteten und vom Grundsatz her ruhegehaltsfähigen Ausbildungs- und Studienzeiten in vollem Umfang auf das Ruhegehalt anzurechnen sind.

Die bisherige Quotelung bei Teilzeitbeschäftigten ist als Verstoß gegen den Grundsatz der Entgeltgleichheit rechtswidrig, da besonders die vielfach in Teilzeit beschäftigten Kolleginnen von der Kürzung betroffen waren.
Das Arbeitsentgelt und Ruhegehalt Teilzeitbeschäftigter muss nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes zeitanteilig im Verhältnis zu einer Vollzeitbeschäftigung festgesetzt werden. Eine willkürliche Kürzung ist rechtswidrig.

Sabbatjahres

Ein teilzeitbeschäftigter Beamter in Nordrhein- Westfalen, dem der bisherige Umfang des Teilzeit nicht mehr zugemutet werden kann, hat  Anspruch auf Überprüfung und ggf. Änderung des Umfangs der gewährten Teilzeit, wenn dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Hierbei kann z.B. die Fortsetzung der Teilzeitbeschäftigung unzumutbar sein, wenn der Beamte langfristig erkrankt ist, so dass das bereits durch Einkommenskürzung vorfinanzierte „Sabbatjahr" entwertet wird. BverWG 2 C 15.07,2 C 20.07

 

 



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