Nicht erst seit Corona sind die Lehrkräfte einer größer werdenden Arbeitsbelastung und immer umfänglicheren weiteren dienstlichen Anforderungen ausgesetzt, die, je nach individueller, gesundheitlicher Prädisposition der Kolleginnen und Kollegen, auch zu gesundheitlichen Problemen und auch längeren Erkrankungen bis hin zur Dienstunfähigkeit führen können.
Zu beobachten ist, dass die Anzahl der eingeleiteten BEM-Verfahren gestiegen ist. Das ist eine alarmierende Entwicklung.
Der Gesetzgeber hat für Zeiten längerer dienstunfähiger Erkrankung ein Instrument geschaffen, das helfen soll, den betroffenen Kolleginnen und Kollegen die Arbeitsfähigkeit zu erhalten und z.B. die Wiederaufnahme des Dienstes zu erleichtern:
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM).
Das BEM berührt alle Maßnahmen, Möglichkeiten und Hilfen, die dabei behilflich sein können, erneuten Arbeitsunfähigkeiten von Lehrkräften vorzubeugen und damit den Arbeitsplatz und die Arbeitskraft der Lehrkraft zu sichern.
Die rechtliche Regelung hierzu findet sich in § 167 Abs.2 SGB IX.
Hier heißt es:
„(2) 1 Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement).
2 Soweit erforderlich, wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen.
3 Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen.
4 Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die Rehabilitationsträger oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen.
5 Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Absatz 2 Satz 2 erbracht werden.
6 Die zuständige Interessenvertretungen im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen.
7 Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.“
Die Ziele eines BEM sind daher:
• die Dienst- bzw. Arbeitsunfähigkeit möglichst zu überwinden,
• erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen,
• den Arbeitsplatz zu erhalten und
• gesundheitliche Gefährdungen am Arbeitsplatz zu vermeiden und zu beseitigen.
Diese Ziele sind mit allen verfügbaren Mitteln anzustreben, soweit der Arbeitgeber darauf Einfluss hat.
Wichtig
In der Praxis heißt das:
Ist die Lehrkraft länger als 6 Wochen innerhalb von 12 Monaten (nicht Schuljahr, nicht Kalenderjahr) ununterbrochen erkrankt oder leidet unter wiederholten Kurzerkrankungen, leitet die Bezirksregierung ein BEM-Verfahren ein und macht der Lehrkraft zunächst schriftlich ein solches Gesprächsangebot.
Hiervon muss der Personalrat und bei schwerbehinderten Lehrkräften zusätzlich die Schwerbehindertenvertretung (SBV) informiert werden.
Auf dieses Gesprächsangebot kann die Lehrkraft nun verschieden reagieren:
1. Die Lehrkraft stimmt dem Gespräch zu und wählt den Gesprächsort (Schule, Schulamt -nur bei Grundschullehrkräften möglich- oder Bezirksregierung). In dem Gespräch wird dann eine gemeinsame Lösung für die Lehrkraft angestrebt. An dem sogenannten Präventionsgespräch nehmen die Schulleitung bzw. das Schulamt oder die Bezirksregierung, sowie die betroffene Lehrkraft teil. Bei den Gesprächen, die an den Schulen stattfinden sollen, muss aufgrund des § 69 Abs. 2 SchulG, in NRW, der Lehrerrat informiert werden.
2. Die Lehrkraft stimmt dem BEM auf dem Antwortbogen nicht zu. Dies führt dazu, dass das Betriebliche Eingliederungsmanagement beendet ist. (Wichtig ist, dass ein BEM tunlichst nicht begründungsfrei abgelehnt werden sollte, da mehrmaliges Ablehnen eines BEM ohne Begründung den Eindruck dienstlichen Desinteresses entstehen lassen könnte.)
3. Die Lehrkraft teilt mit, dass das BEM zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll ist und, dass sie sich bei Bedarf an den Arbeitgeber wenden wird. Konkretere Aussagen dazu sind hilfreich.
Grundsätzlich gilt: Die Teilnahme am BEM ist freiwillig und die Lehrkraft kann entscheiden, ob weitere Gesprächspartner zu dem Gespräch eingeladen werden sollen. Dies ist von der Lehrkraft in dem Antwortschreiben anzugeben. In Betracht kommt z.B. ein Mitglied des Personalrats, die Schwerbehindertenvertretung oder eine sonstige Person des Vertrauens (hier bietet sich ein Lehrerratsmitglied an).
Vor einer Ablehnung des BEM- Verfahrens sollte unbedingt eine Beratung durch die Interessenvertretung erfolgen (s.o.).
Als Hilfsangebote für die Lehrkraft können z.B. angeboten werden:
Anpassungen bei der Unterrichtsverteilung und der Stundenplangestaltung, Entlastung bei der Klassenleitung, Klassenfahrten, Aufsichten, berufsbegleitende Rehabilitationsmaßnahmen, technische Arbeitsplatzgestaltung, Abordnung/ Versetzung auf eigenen Wunsch, Fortbildung/ Supervision/ Beratung und die stufenweise Wiedereingliederung.
Es bedarf jedoch immer einer einzelfallbezogenen ergänzenden Ausgestaltung und Schwerpunktsetzung.
Die Schulleiterin/der Schulleiter ist verantwortlich für die Umsetzung der vereinbarten innerschulischen Maßnahmen. Über die nicht schulinternen Maßnahmen kann die Lehrkraft beraten werden und ggf. die Antragsstellung vereinbart werden.
Über die schulinternen Maßnahmen ist der Lehrerrat zu informieren (§ 69 SchulG).
Bei Vorliegen der Voraussetzungen kann die betroffene Person auch schon vor Erhalt des Anschreibens von der Bezirksregierung von sich aus auf dem Dienstweg um Einleitung des BEM bitten.
Wichtig:
Die im Gespräch getroffenen Vereinbarungen sind von der Gesprächsleitung zu dokumentieren. Hierzu gibt es Vordrucke bei den Bezirksregierungen (Maßnahmenplan). Ein Gesprächsprotokoll wird nicht erstellt. Ein wichtiger Bestandteil dieses Maßnahmenplanes ist der festgeschriebene Überprüfungstermin, an dem die Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarungen überprüft wird. Die tatsächliche Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen wird so stärker gesichert.
Die betroffene Lehrkraft ist darauf hinzuweisen, dass Angaben zu Erkrankungen im Rahmen des BEM nur auf freiwilliger Basis erfolgen dürfen und der Schweigepflicht unterliegen. Eventuell erfolgte freiwillige Angaben über die persönliche und gesundheitliche Situation werden nicht protokolliert.
Die Unterlagen über das laufende BEM-Verfahren sollen von der Schulleiterin oder dem Schulleiter in einer gesonderten Sachakte aufbewahrt werden. Nach Abschluss des Verfahrens einschließlich des Termins zur Überprüfung der Vereinbarung wird die gesamte Sachakte an das Dezernat 47 verschickt. Die nicht mehr benötigten Unterlagen werden spätestens nach drei Jahren nach Abschluss des BEM-Verfahrens vernichtet.
Das BEM ist ganz eindeutig kein Kontrollinstrument des Dienstherrn, sondern vor allem ein Instrument zur Unterstützung der Gesunderhaltung der Lehrkräfte.
Für die Praxis in den Schulen:
Das betriebliche Eingliederungsmanagement als Präventionsinstrument soll, nach Angaben des Ministeriums und der Bezirksregierungen, einmal pro Schuljahr in der Lehrerkonferenz vorgestellt werden, so dass dieses allen Lehrkräften in der Schule regelmäßig bekannt gemacht bzw. in Erinnerung gerufen wird.
Ein Formular für den Maßnahmenplan und den Gesprächsleitfaden finden Sie als VBE-Mitglied in der Rechtsdatenbank unter www.vbe-nrw.de.
Quelle: Lehrerrat aktuell 03/2023